Das Netz der Zukunft: Jetzt alles IP oder was?
Freitag, den 21. November 2014In den letzten Wochen hat die Telekom wie angekündigt im großen Stil begonnen, dass klassische Festnetz bestehend aus Standard (Analog) und Universal (ISDN) Anschlüssen auf IP umzustellen. Die Werbung verspricht dabei schon mal „Das Netz der Zukunft“. In dem Zusammenhang rücken Begriffe wie Vectoring, HD Voice, Videotelefonie oder HomeTalk in den Fokus. Manchmal habe ich das Gefühl – eine echte Freakshow. Hände hoch, wer kennt sich mit dem Kram wirklich aus und wem geht das alles irgendwo vorbei? Korrekt, liest man sich in den Communities der Provider so durch, merkt man schnell: Es geht schon lange nicht mehr um die Kunden.
Telekom: Das Netz der Zukunft,
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Meiner Meinung will der Gigant lediglich schnell dahin, wo die Kabelnetzer schon sind. Festnetz weg und überall Internet rein – auch bei der Telefonie. Das hat schließlich enorme Einsparpotentiale. Ich habe da aber so Ahnung, sparen wird am Ende nicht der Kunde. Mir persönlich ist das weitestgehend egal, wenn ich nicht auf zuverlässige Faxfunktionalität angewiesen wäre! Telefonie geht sonst heute mobil. Wobei ich gleich bei meinem Lieblings-IP-Marketingthema HD Voice bin. Viele haben doch noch keine HD Voice fähigen Endgeräte? Bei Umstellung auf IP sind die höchstens bemüht, alte Telefone wieder ans Netz zu bringen. Dass dafür oft eine TK-Anlage oder Adapter erforderlich, wird natürlich nicht so offen kommuniziert. Sind ja schließlich zusätzliche Kosten auf Kundenseite. Provider begnügen sich meist mit Aussagen wie „schließen Sie ihre Endgeräte nach IP-Umstellung einfach an den Router an“. Löblich ist zumindest, dass den Kunden mit an die Hand gegeben wird, dass die alten Festrufnummern für IP-Telefonie im Router konfiguriert werden müssen. Dass man auf diesem Weg mit den alten Gerätschaften trotzdem nie zu HD Voice kommen wird, Nebensache . Merke: Wer den IP-Vorteil HD Voice nutzen will, sollte sich gleich ein HD Voice fähiges Telefon kaufen. Ansonsten kann man ja gleich bei Smartphones bleiben, die neueren Generationen sind eigentlich alle HD Voice fähig. Für HD Voice ist mobil mindestens ein gescheites 3G oder 4G Netz erforderlich, 2G unterstützt kein HD Voice. VoLTE ist nebenbei bemerkt noch nicht gestartet.
Weiter geht’s zur IP-Videotelefonie. Eigentlich ist skypen über Microsofts Skype nicht mein Thema. Kürzlich wurde so die erste Online-Scheidung auf den Weg gebracht. Aha, Leben 2.0 – hier geht’s zur Nachlese >bei LVZ Online. Ich habe zu Skype keine Meinung und mache direkt mit HomeTalk weiter. Mit der App ist es möglich, über WiFi (Festnetz) Anrufe auch mit dem Smartphone Zuhause anzunehmen und ausgehende Telefonate über den IP-Anschluss zu führen. Die Abrechnung der Gespräche erfolgt zu All IP-Konditionen. Wer so was braucht, die App ist ab iOS 4.0 und Android 2.1 verfügbar.
Jetzt kommt aber der angeblich größte IP-Knaller namens VDSL Vectoring. Mit dieser Technik sollen unter optimalsten Bedingungen bis zu 100Mbit/s down und 40Mbit/s up drin sein. So zuschreiben, damit noch mehr Käse schnell bei YouTube, FB & Co. hochgeladen werden kann oder in die Cloud. Eben state of the art IP-basiert, das Letzte aus dem Stückchen Kupfer Klingeldraht der Teilnehmeranschlussleitung („Letzte Meile“) rauszukitzeln. Für mich ziemlich realitätsfern. Die IP-Aktionstarife sind zeitlich befristet, ich kenne Wenige, die auf Dauer die Listenpreise ab 50€ mtl. aufwärts akzeptieren werden. Und gegen die Kabelnetzer gewinnt man preislich damit schon gar nicht. Beim Download-Speed übrigens auch nicht. Bei Kabel sind schon heute bis zu 200Mbit/s drin. Um Vectoring freizuschalten, müssen alle Anschlüsse auf IP migriert werden. Wer nicht mitzieht, wird gekündigt. Zum Glück habe ich diesen Bullshit nicht zu verantworten. Richtig ernst wird’s ab 2015. Dann will die Telekom die IP-Migration auf Businessebene starten. Das heißt konkret, auch gut zahlende ISDN-Kunden mit Mehrgeräte/Anlagenanschluss werden ggf. kündigt.
Mein Zwischenfazit: Da mich die Telekom schon länger auf das Festnetz-Ende 2018 vorbereitet, werde auch ich migrieren (müssen). Trotzdem finde ich es nicht gut, das eigenständige Telefonnetz zugunsten IP aufzugeben. Und dabei gehöre ich noch nicht mal zu denen, die sich der Zukunft verweigern oder irgendwas von „wenn mal Stromausfall ist, geht nichts mehr“ brabbeln. Es werden wohl die Wenigsten sein, die heute noch ein notstromfähiges Telefon für NTBA oder TAE-Dose haben. Hausnotruf-Systeme werden zwar auch oft als Grund angefügt, nun ja. Selbst das ist kein echter Grund, die Hersteller solcher Systeme müssen dann eben für IP-Lösungen sorgen. Bei mir ist es wohl eher der ISDN-Nostalgiefaktor und natürlich das Fax.